Konflikte rauben Kraft – die Dynamik erkennen und durchbrechen

Bei der Entwicklung von Konflikten wirken psychologische Grundmechanismen auf uns, deren Kenntnis helfen kann, diesen nicht hilflos gegenüber zu stehen sondern stattdessen eine negative Konfliktdynamik abzufangen.

 

Eine kleine Geschichte

Elif aus dem Team A einer pädagogischen Einrichtung wünscht sich mehr Zusammenarbeit mit dem Team B. Elif spricht Antonia, die neue Teamleiterin von Team B, an und bittet um ein Gespräch, um neue Formen der Zusammenarbeit und Kooperation zu besprechen und am besten in einem Workshop zu eruieren, was da möglich wäre. Antonia sagt: „Interessant. Besprech‘ ich mal im Team.“ Nachdem von Antonia keine Rückmeldung kommt, versucht es Elif ein zweites Mal mit ihrer Anfrage bei Antonia. Diese antwortet: „Ach ja, ganz vergessen….melde mich.“ Wieder kommt allerdings in den nächsten Tagen keine Reaktion. Elif ist IRRITIERT. Ein drittes Mal fragen will sie auf keinen Fall.

 

Immer wenn Elif Antonia in den nächsten Tagen sieht, blickt sie diese auffordernd an, aber Antonia scheint gar nicht zu merken, dass Elif auf Antwort wartet und lächelt freudig zurück. Die ist echt komisch findet Elif. Will Sie nicht oder ist sie einfach nur ne lahme Ente? Bei Elif setzt eine VERZERRTE WAHRNEHMUNG ein. Sie beginnt, Antonia unter den Etiketten „unzuverlässig“, „blöd grinsend“ und „eigenbrötlerisch“ wahrzunehmen und entwickelt so zunehmend einen „Tunnelblick“. Verstärkt wird dieser Mechanismus durch Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol, die Elifs Körper durchfluten, immer wenn sie Antonia sieht und sie ihr wieder keine Rückmeldung gibt. Stresshormone beeinträchtigen das rationale, vernünftige Denken und befeuern so Elifs Tunnelblick. Mit der Zeit kommt Elif zu dem Schluss, dass Antonias ganzes Auftreten, die schlaffe Körperhaltung, ihr Desinteresse bei der letzten großen Teambesprechung, bei der sie nur in ihr Telefon blickte und auch andere „merkwürdige“ Verhaltensweisen dafür sprechen, dass die nichts draufhat.

 

So eine Situation ist unangenehm und Elif will ihre Wahrnehmung und ihre Gefühle, die sie zu Antonia hat, mit aKolleg*innen teilen. Menschen sind soziale Wesen und haben das Bedürfnis sich Verbündete zu suchen, die bestätigen, dass sie mit ihrer Einschätzung nicht allein sind. So beginnt nun auch bei Elif der Prozess der SOZIALEN ANSTECKUNG. Elif fängt an, mit anderen über Antonia und darüber, wie blöd sie sich ihr gegenüber verhält, zu reden. Manche Kolleg*innen bestätigen Elifs Eindruck. Im Laufe kurzer Zeit bildet sich ein Grüppchen von Leuten, die Antonia blöd finden. Weitere „schlechte“ Erfahrungen mit Antonia machen die Runde. (Lagerbildung).

 

Gestärkt durch den Gedanken „ich bin nicht allein mit meiner Wahrnehmung – wir sind viele“ tritt Elif zunehmend forscher gegenüber Antonia auf. Im sich anbahnenden Konfliktgeschehen findet ein eklatanter VERLUST VON EMPATHIE statt. Ton und Gangart des Umgangs verschärfen sich. Als Elif Antonia wieder mal in der Teeküche traf, hörte sich das dann so an: „Hi Antonia, auch wieder keinen Bock auf Arbeit?“ Oder: „Von eurem Team könnten ja auch mal ein paar neue Ideen kommen, wir stoßen ja auch immer wieder neue Projekte an.“ Zynismus und Verallgemeinerungen sind ein klares Zeichen, dass man nicht mehr in der Lage ist, mit dem anderen flexibel umzugehen, stattdessen entstehen stereotype Verhaltensweisen. Durch Elifs forsches und zynisches Auftreten ist  Antonia dann ihrerseits IRRITIERT, entwickelte selbst eine VERZERRTE WAHRNEHMUNG, sucht zur Entlastung die SOZIALE ANSTECKUNG und verliert die EMPATHIE für den Umgang mit Elif. Ein neuer Kreislauf entsteht, Ein „Gegenlager“ bildet sich.

VERZERRTE WAHRNEHMUNG – SOZIALE ANSTECKUNG und VERSLUST VON EMPATHIE sind typische psychologische Mechanismen, die in schwierigen Situationen in uns Menschen wirken und Konflikte entstehen lassen bzw. diese befeuern.

 

Fragen zur Selbstanalyse bzw. dem rechtzeitigen „Ausstieg“ aus dem Konfliktgeschehen könnten sein:

  • Assoziiere ich mit meinen Kolleg*innen in erster Linie die Probleme / Störungen / Irritationen, die ich mit Ihnen habe? Bin ich ev. schon im Prozess der verzerrten Wahrnehmung meines Gegenübers?
  • Wann rede ich über die anderen bezüglich den Problemen, die ich mit diesen Menschen habe, statt direkt mit den Betroffenen? Wann beteilige ich mich zudem als Außenstehender an solchen Gesprächen?
  • Drücke ich meine negativen Gefühle gegenüber anderen auch aus, bzw. gebe ich diesen die Chance zu erfahren, wie es mir mit Ihrem Verhalten geht? = klares Feedback geben bzw. Kritik offen ansprechen.
  • Welche eigenen Anteile habe ich am Konfliktgeschehen bzw. wie verhalte ich mich gegenüber meinem Konfliktpartner (zynisch, verallgemeinernd, belehrend und bewertend?)
  • Wie geht es meinem Konfliktpartner*in in unserem Konflikt (Perspektivwechsel)? Traue ich mich, ihn darauf anzusprechen oder ducke ich mich weg?

Viel Erfolg beim Erkennen und Aussteigen aus der Konfliktdynamiken!