Gelingende Kommunikation in Change-Prozessen

Das Verhalten von Menschen in Veränderungsprozessen ist immer wieder Gegenstand von unterschiedlichen Untersuchungen in der Sozialwissenschaft und der Psychologie (Verena Kast u.a.). Ein gemeinsames Ergebnis: Menschen durchleben charakteristische Phasen während eines nicht selbst initiierten Veränderungsprozesses (Change). Auf die besondere Bedeutung der Anpassung der Kommunikation in diesen Phasen hat u.a. auch Christian-Rainer Weisbach hingewiesen.

Im wesentlichen geht es für Initiatoren und LeiterInnen von Change-Projekten darum, zu erkennen, dass Change-Ankündigungen bestimmte Emotionen und Verhaltensweisen bei den KollegInnen auslösen, die unter Umständen nichts mit sachlichem Widerstand zu tun haben sondern in der Natur des Menschen begründet sind. Mit welchen Phasen haben wir es nun zu tun und was sollten wir entsprechend kommunikativ beachten? Ein kurzer Überblick über die wesentlichen Verhaltensphasen:

Schreck

Bei der Ankündigung eines Change-Projektes wird bei Menschen zunächst eine Art Schreck ausgelöst, denn gewohnte Abläufe werden gestört, neues Denken und Anpassung ist gefragt. Da der Mensch bei der Aufnahme von Informationen nach „angenehm“ (kenne ich, mag ich, bin ich gewohnt) und „unangenehm“ (muss ich mich umstellen, weiterentwickeln, ist anstrengend) unterscheidet, löst die Ankündigung eines Change-Projektes zunächst Stress aus. Der Körper schüttet die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus. Diese „wirken“ auf die Nerven in unserem Frontalhirn, das u.a. für Logik und Vernunft zuständig ist, und verursachen „Verklebungen.“  Das rationale, vernünftige Denken wird eingeschränkt bis blockiert, die Energie des Körpers wird stattdessen auf den basalen Kampf- Flucht- Erstarrungs- Modus konzentriert. Der Erstarrungsmodus entspricht der verbalen Blockade.

Merke: Jede Art der rationalen Kommunikation, die auf Argumente und Vernunft abzielt, ist in dieser Phase kontraproduktiv. Der Fokus sollte auf dem „emotionalen Verstehen“ des anderen, dem Verbalisieren seiner schwierigen Gefühlslage liegen, denn für Menschen ist es sehr wichtig, in ihren Emotionen wahrgenommen zu werden.

 

Festhalten

Nach der Schreckphase (Minuten bis Tage, je nach Situation und Person) ist der Mensch mit den Nachwirkungen beschäftigt. Das rationales Denken funktioniert wieder etwas besser, allerdings noch einseitig, sodass sich Menschen nun auf das Bewahren des Bestehenden fixieren, sprich: sie halten fest, was ihnen weggenommen werden soll. Drei Strategien werden in dieser Phase eingesetzt: Leugnen der Realität bzw. der vorgestellten Idee oder der Notwendigkeit für eine Änderung (brauchen wir nicht, macht keinen Sinn etc.). Dies geschieht zum Selbstschutz und zur Bewahrung des eigenen emotionalen Gleichgewichts, das nach wie vor beeinträchtigt ist. Auch Aggressionen wie Wut und Beleidigungen gegen den Change-Initiator werden in dieser Phase ausgelebt, denn dieser hat die eigene Sicherheit bzw. den Status Quo bedroht. Helfen Leugnen und Aggressionen nicht weiter, nutzen Menschen gerne die Verhandlungstaktik, um noch möglichst viel vom Bestehenden zu retten. Widerstand gegen Change-Projekte fußt oftmals gerade auf diesen Prozessen. Hier gilt es, durch geschickte Gesprächsführung herauszufinden, ob Widerstand aufgrund verlorener Sicherheit oder aufgrund von Sachargumenten geleistet wird. Erstere sind eher als Übergangsphase zu betrachten, die emotionale Hinwendung braucht, letztere verlangt nach einer Auseinandersetzung in der Sache.

Merke: Kreatives Vorwärtsdenken ist in dieser Phase (oft) noch nicht möglich. Nach wie vor gilt es, der emotionalen Verfasstheit und Rückwärtsgewandheit des sich im Festhalteprozess befindlichen Menschen Raum und Zeit zu geben und Wertschätzung und Verstehen zu signalisieren. Dies erleichtert die Unterscheidung von Widerstand in der Sache oder aufgrund emotionaler Beeinträchtigung.

 

Loslassen

Dem aktiven Festhalten folgt (falls der Change-Prozess nicht zu verhindern war) eine Phase des passiven Loslassens. Gewohnten Prozessen will nun nachgetrauert, diese wollen verabschiedet werden. Oftmals herrscht noch eine zögerliche und zweifelnde Stimmung bei mit einem Change-Prozess konfrontierten Menschen vor, die es auszuhalten, zu wertschätzen und bestenfalls unterstützend zu verbalisieren gilt. Erleichtert wird der Prozess des Loslassens durch Abschiedsrituale und dem Zelebrieren des Beginns des Neuen wie es auch in anderen Lebensabschnitten üblich ist (Schulbeginn, Hochzeit, Tod etc.).

Merke: Menschen in Change-Prozessen sollte Zeit und Raum gegeben werden, sich von Gewohntem zu verabschieden und sich Neuem zuzuwenden. Rituale können hier helfen. Druck auf schnelle Umsetzung (Überreden etc.) führt dagegen zu erneutem Widerstand. Neben der rationalen Akzeptanz braucht dieser Prozess auch eine emotionale Akzeptanz.

 

Anpassung

Der Neuanfang setzt einen gelungenen Abschied voraus. Dem Prozess des Loslassens und Zweifelns folgt nun die schrittweise Integration des Neuen. Auch in dieser Phase kann es zu Rückfällen kommen bzw. Menschen stellen fest, dass sie  mit den Änderungen nicht zurechtkommen. Jede Veränderung sollte deshalb als ein Prozess gestaltet werden, der die Menschen mitnimmt und erlaubt, Erfolge und Misserfolge zu thematisieren, zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Gegebenenfalls können Change-Projekte modifiziert werden. Jede Art der partizipativen, offenen und ehrlichen Kommunikation ist hier hilfreich. 

Merke: Die Integration des Neuenstellt einen Prozess dar, in dem Menschen kommunikativer Raum gegeben werden sollte, Schwierigkeiten zu thematisieren. Rückschläge müssen emotional und kommunikativ verarbeitet werden dürfen.

 

Individualität beachten

Menschen sind verschieden. Auch wenn laut Untersuchungen alle Menschen die dargestellten Phasen in Veränderungsprozessen durchlaufen, gelingt dies unterschiedlich schnell und intensiv. Gelingende Kommunikation im Change-Prozess muss entsprechend individuell angepasst werden. Ein Indikator für die Phase, in der sich ein Mensch befindet, kann auch die Körpersprache sein, denn „der Körper ist der Spiegel der Seele“ (Samy Molcho).

Zudem reagieren Menschen mit einem persönlichen Bedürfnis nach „Abwechslung“ und „Änderung“ freudiger auf Change-Projekte, ganz einfach weil damit ihre originären Bedürfnisse befriedigt werden. Demgegenüber reagiert ein Mensch mit Bedürfnissen nach „Planbarkeit“ und „Berechenbarkeit“ verstörter auf eine Change-Ankündigung, denn seine zentralen Bedürfnisse werden gestört. So ein Mensch braucht noch mehr emotionale Annahme und Zeit für die Umstellung, denn sein Stress im Change-Prozess ist ungleich größer, der Widerstand meist ungleich heftiger. Hier hilft es, in der Kommunikation im Change zu betonen, was gleich bleibt, bzw. berechenbare und Struktur gebende Aspekte in den Vordergrund zu stellen.

Weitere Infos zu menschlichen Bedürfnissen hier

Geeignete Kommunikationstechniken in Change-Prozessen sind u.a. aktives Zuhören und die Stier-bei den-Hörnern-packen-Technik.